Hören Sie Peter und Werner im Gespräch über den Ausblick für Staatsanleihen der Schwellenländer. (Podcast in englischer Sprache)
Emerging Market (EM)-Anleihen haben sich dem weltweiten Bärenmarkt für Anleihen nicht entziehen können. Auch sie haben die Auswirkungen der hohen Inflation, der geldpolitischen Straffung und der mit Inflations- und Zinsschwankungen verbundenen Risikoscheu zu spüren bekommen. Anders als in anderen Bärenmärkten haben EM-Anleihen jedoch nicht deutlich unterdurchschnittlich performt, sondern weitgehend im Einklang mit den globalen Anleihenmärkten - vor allem, wenn man den auf null abgewerteten russischen Markt außen vor lässt. Unserer Ansicht nach spricht das für die aktuelle fundamentale Stärke der aufstrebenden Volkswirtschaften.
Im Jahr 2013 strömten viele Anleger auf der Suche nach Rendite in EM-Anlagen, was zu überreizten Bewertungen führte. Darüber hinaus hatten einige bedeutende Schwellenländer hohe Leistungsbilanzdefizite und waren als Nettoschuldner von USDollar sehr abhängig vom US-Zinserhöhungszyklus. 2022 ist das Bild ein ganz anderes, nicht zuletzt, was die Fundamentaldaten angeht: Die Staatshaushalte der Schwellenländer sind heute in viel besserer Verfassung. Viele Leistungsbilanzen sind ausgeglichen oder sogar positiv. Dadurch haben diese Volkswirtschaften die Unruhen des Jahres 2022 sehr viel besser überstanden. Auch bestärkt es uns in unserer Ansicht, dass das, was wir an den Anleihenmärkten gesehen haben, ein globales Phänomen ist und keine Krise der Schwellenländer.
Die Regierungen der Schwellenländer haben aus den schmerzhaften Erfahrungen der Vergangenheit gelernt und Maßnahmen ergriffen, die geholfen haben, viele dieser Volkswirtschaften auf eine solide Grundlage zu stellen. Als die Inflation anzog, reagierten viele Zentralbanken der Schwellenländer schnell, damit die Teuerung nicht außer Kontrolle gerät. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Ausblicks waren die Zinsen in elf der 18 größten Lokalwährungsanleihenmärkte der Schwellenländer stärker gestrafft worden als in den USA. Vier hatten sogar bereits eine Zinspause eingelegt, weil sie die Inflation erfolgreich eingedämmt hatten. In den Schwellenländern lässt die Inflation nach und die schmerzhaften Zinserhöhungen sind größtenteils abgeschlossen. Damit steigt das nominale BIP wieder und die Schuldenquote sinkt. Zusammen mit den soliden Staatshaushalten ergibt das ein insgesamt robustes Bild für die EM. Entsprechend standen bei den Diskussionen über die Finanzstabilität auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank im Oktober auch die entwickelten Märkte im Fokus und nicht die Schwellenländer. Das EM-Anleihenuniversum ist jedoch sehr vielfältig und der Ausblick bleibt herausfordernd. Daher wird es einige Schwachstellen geben, die ein selektives Vorgehen bei Investments in diese Anlageklasse erfordern.
Die bedeutendsten Schwellenländer haben keine Finanzierungsprobleme. Einige Frontier-Märkte stehen dagegen stärker unter Druck. Afrika ist eine der Regionen, die den ‚plötzlichen Stopp‘ des Zustroms ausländischer Anlagegelder im Jahr 2022 besonders zu spüren bekommen hat. Der IWF zeigt sich jedoch entschlossen zu verhindern, dass die Liquiditätsrisiken für die Länder, die die richtigen Reformen durchführen, zu Solvenzrisiken werden. Außerdem haben die Märkte diese Risiken unserer Ansicht nach bereits weitgehend eingepreist.
Wir haben ein eigenes Modell entwickelt, um die Anfälligkeit der Länder für eine Verschärfung der globalen Liquiditätsbedingungen zu bewerten. Es betrachtet die aktuellen wirtschaftlichen, fiskalischen, außenwirtschaftlichen und institutionellen Faktoren jedes dieser Länder im Vergleich zu anderen Ländern und zur Vergangenheit und kombiniert die Ergebnisse dieser Analyse mit einer Bewertung der Abhängigkeit von Auslandsfinanzierung. Unser Modell zeigt, dass es einige Schwellenländer gibt, die sich zu stark in Hartwährung verschuldet zu haben scheinen und in Schwierigkeiten geraten könnten, falls die Renditen erhöht bleiben und ihnen der Neuemissionsmarkt verschlossen bleiben sollte. Die Türkei ist ein Markt, den es diesbezüglich im Blick zu behalten gilt. In einigen Fällen scheint der Markt die Fortschritte der Länder bei fiskalischen Reformen und die Unterstützung durch den IWF oder andere Institutionen noch nicht eingepreist zu haben. Anleger werden sich die Situation der einzelnen Länder genau ansehen müssen.
Lateinamerika hat früher als andere aufstrebende und entwickelte Regionen in diesem Jahr eine sehr orthodoxe Geldpolitik verfolgt. Die lateinamerikanischen Zentralbanken haben als erste begonnen, die Zinsen zu straffen. Einige dieser Länder haben ihren Zinserhöhungszyklus bereits beendet. Damit sind die Parameter für ihre Anleihenmärkte jetzt ganz andere als in vielen anderen Regionen. Brasilien ist ein Markt, den wir diesbezüglich positiv einschätzen, zumal hier die politische Unsicherheit nach den Präsidentschaftswahlen weitgehend beseitigt ist.
Auf den Hartwährungsanleihenmärkten haben die Renditen das höchste Niveau seit der globalen Finanzkrise erreicht. In der Folge sehen wir hier zahlreiche Anlagemöglichkeiten zu attraktiven Bewertungen. Wir glauben, dass der Markt noch nicht erkannt hat, wie robust die Fundamentaldaten von Ägypten sind. Das Land hat sich bedeutende IWF-Kredite gesichert, nachdem es allen Auflagen nachgekommen ist (einschließlich der Abwertung seiner Währung). Die Tatsache, dass das IWF-Programm eine Laufzeit von 48 Monaten hat, spricht unseres Erachtens für das Vertrauen des IWF in die Schuldentragfähigkeit des Landes. Trotzdem notieren ägyptische Anleihen zu sehr niedrigen Kursen.
Für Anleger mit US-Dollar-Anlagen war 2022 besonders schlimm. Wir glauben, dass der unaufhaltsame Anstieg des Dollars im Jahresverlauf 2023 enden wird. Ein wichtiger Faktor dafür wird ein Ende des Zinserhöhungszyklus in den USA und die Aussicht auf eine Stabilisierung oder einen Rückgang der US-Zinsen sein. Wir sehen bereits Hinweise auf eine nachlassende Inflation. Das ist ein positives Signal.
Im Jahr 2023 werden die geldpolitischen Maßnahmen der vergangenen zwölf Monate voll zum Tragen kommen. In der Folge wird sich das Wachstum verlangsamen und das Rezessionsrisiko in einigen Märkten zunehmen. Sollte China allerdings – wie immer mehr Marktteilnehmer erwarten – seine Null- Covid-Politik lockern, könnte das eine wirtschaftliche Erholung mit weltweiten Auswirkungen anstoßen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Anlageklasse nach einem so schwierigen Jahr mit einem deutlich günstigeren Bewertungsniveau ins Jahr 2023 geht.
Allgemeine Risiken. Der Wert von Anlagen und die Erträge hieraus können sowohl fallen als auch steigen. Wenn Kosten dem Kapital entnommen werden, kann dies das künftige Kapitalwachstum einschränken. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. Bei Anlagen in einer Währung, die nicht die Heimatwährung des Anleger ist, können Wechselkursschwankungen dazu führen, dass die Renditen steigen oder fallen. Anlage- und Performanceziele können sich ändern und werden möglicherweise nicht erreicht. Verluste sind möglich. Etwaige Risikoereignisse oder -faktoren in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung können negative Auswirkungen auf den Wert der Anlagen haben.
Spezifische Risiken. Schwellenländer (inkl. China): Anlagen in diesen Märkten sind mit einem höheren Risiko finanzieller Verluste verbunden als Anlagen in weiter entwickelten Märkten, da ihre rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Systeme möglicherweise weniger weit entwickelt sind.
Durch die erste Hochinflationsphase seit vielen Jahren hat sich das Investmentumfeld abrupt verändert. Veränderungen des Marktumfelds können gefährlich sein – aber auch Chancen für clevere Anleger eröffnen.
Lesen Sie unsere Investmentausblicke 2023, um mehr über die Einschätzungen unserer Portfoliomanager zu ihren Anlageklassen und -regionen zu erfahren.
Außerdem wirft unser Team einen genaueren Blick auf den Ausblick für die Schwellenmärkte und die Frage, welche Rolle nachhaltige Anlageansätze im nächsten Jahr und darüber hinaus spielen werden.